Die NATO am Freitag dem 13.

In Afghanistan haben die USA ihre gewaltigste Niederlage seit Vietnam kassiert, die NATO insgesamt hat die bisher gewaltigste Niederlage ihrer Geschichte erlebt.

So sah es heute um 10:26h MEZ aus.

Um 15:30h fiel Pul el Alam, 50 Kilometer südlich von Kabul.

Der mächtigste Warlord der NATO-verbündeten Regierung ohne Land in Kabul, Ismail Khan, war kurzzeitig Gefangener der Taliban, wurde dann wieder auf freien Fuß gesetzt. Was abgemacht wurde, blieb vor der Öffentlichkeit geheim.

Der berüchtigte Mayor Dostum befindet sich auf der Flucht.

Während Ismail Khan als Ehrenmann gilt, hat Dostum einen eher schlechten Ruf. Dostum war ein gefürchteter Militärführer der sogenannten kommunistischen Regierung, bis die in die Defensive geriet, da lief er mit seinen Soldaten zu den Mujaheddin über. Vor den Taliban flüchtete er in die Türkei. Dann kam er mit der NATO zurück. Mal sehen, wie es mit dem weiter gehen wird.

16:58h, vor einer Minute, da ich dies hier schreibe, kam die Nachricht herein, dass die Taliban die nächste Provinzhauptstadt, Gardez, umzinglen.

Die Botschaften der NATO-Länder in Kabul packen.

USA, Großbritannien, Dänemark, Deutschland, Frankreich….

Heiko Maas lebt nicht in der Realität. Er meint, wenn die Taliban in Afghanistan die Macht übernehmen, würden Geldzahlungen, die derzeit an die korrupte Regierung in Kabul gehen, nicht mehr gezahlt werden und es gäbe für ein Islamisches Emirat von Afghanistan keine diplomatische Anerkennung geben.

Heiko hat noch nicht verstanden, dass er Kriegsverlierer ist und Kriegsverlierer beim Sieger nichts zu melden haben.

Die Taliban brauchen kein Geld aus Deutschland, sie bekommen Geld und Unterstützung aus China und aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Erkennt die Bundesrepublik Deutschland die Regierung in Kabul nicht an, bekommt der deutsche Botschafter einen Tritt in den Steiß und fliegt raus, Ende der Geschichte. Ich weiß ja nicht, wie beeindruckt Paris gewesen wäre, wenn Ribbentrop gesagt hätte: „Wird de Gaulle Präsident, erkennen wir das nicht an!“ Das ist so ziemlich das gleiche, wenn auch nicht das selbe.

Das islamische Emirat von Afghanistan ist sicher wie das al Fatiha in der Moschee. Das ist nur mehr die Frage des wann, die des ob ist beantwortet.

Sichtlich arbeitet die NATO auf geheimdienstlicher Ebene an einer Fortsetzung des Chaos im Land als Bürgerkrieg zwischen Sunni und Schiiten. Das aber scheint auch eher ein Wunschgespinst der Presse zu werden. Die erzählte beispielsweise von einer schiitischen Frauenbrigade, die noch schnell in Kandahar aufgebaut wurde und die sich, gerüstet mit zwei Wochen Grundausbildung und NATO-Waffen, den Taliban entgegen würfen wie weiland Wonder Woman sich gegen Doomsday stellte. Es gab, soweit ich informiert bin, etwa drei Stunden lang Kämpfe zwischen Leuten Ismail Khans und den Taliban, dann war Kandahar gefallen. Wonder Woman bleib derweilen in Comic und Film.

Die Wette der NATO-Staaten, Sunniten und Schiiten in gegenseitige Massaker zu verwickeln, ging oft auf. Dennoch kann man hoffen, in Afghanistan wird das nicht passieren. Erstens wollen die Leute dort die Zeit des Krieges hinter sich haben und mit dem Aufbau beginnen. Als Vorbild scheinen die Vereinigten Arabischen Emirate zu dienen. Im Gegensatz zu Heikos Vorstellungen, mit ein paar Almosen und rotzfrechen Hinterhof-Napoleon-Sprüchen Druck ausüben zu können, ist diese Perspektive sehr realistisch!

In der Regel kann die NATO das Sunniten-vs-Schiiten-Szenario verwirklichen, indem es die Sunniten gegen die Schiiten hetzt. As wären in diesem Falle allerdings die Taliban. Um die Schiiten aufhetzen zu können, benötigten die USA Teheran. Teheran wiederum hat mehr Vorteile aus Frieden in Afghanistan. Besonders, weil das dann ein sicherer Landweg nach China würde. Iran ist vom Öl- und Gasexport nach China abhängig. Derzeit findet der Transport mit Tankschiffen statt. Das ist gefährlich wegen Israel und den USA und teuer. Eine Pipeline durch Afghanistan wäre schnell gebaut. Der Transport würde schneller, sicher und kostengünstig werden.

Die Schiiten-Sunniten-Geschichte funktionierte nur mit dem Iran an Bord. Ich denke, man sieht auch in Teheran, dass das die optimale Lösung für die USA und Israel wäre, die dann den Iran in Syrien und dem Libanon von der Westseite her und in Afghanistan von der Ostseite her in militärische Konflikte verwickeln könnten, als auch Konflikte zwischen Iran und Volksrepublik China schüfen und darüber hinaus zwischen Iran und Russland. Ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass die darauf hereinfallen.

Freitag der 13. 2021, 20:48h

Inzwischen hatte ich einiges zu erledigen und das Schreiben unterbrochen.

Ist inzwischen wieder eine Menge passiert!

Die kanadische Botschaft in Kabul hat damit begonnen, alle sensiblen Dokumente zu verbrennen und abzuziehen.

Auch die amerikanische verbrennt ale Dokumente und zerstört ihre Datenträger.

Der letzte Satz mag einem komisch anmuten, hat aber eine konkrete Ursache. So ne Sachen etwa:

Die norwegische Botschaft zieht ab.

Die schweizerische Botschaft zieht ab.

Die NATO hat eine Krisensitzung gestartet und ruft alle Staaten dazu auf, eine Taliban-Regierung nicht anzuerkennen.

Die kapieren es einfach nicht: Afghanistan ist nicht ihr Land, sie haben dort nichts zu sagen! Die Leute dort können aus ihrem Land machen, was sie wollen, keinen Ausländer geht das etwas an!

Die Webseite der Taliban wurde in Deutschland blockiert.

UN Generalsekretär Antonio Guterres ruft die Taliban auf, ihre Offensive zu beenden.

🤣🤣🤣 Als ob die den, was jetzt bereits sicher ist, bedeutendsten militärischen Sieg des 21. Jahrhunderts einfach so in den Wind blasen würden!

Ein Kontingent von 3000 US-Mariens ist eingetroffen, den Abzug der Amis zu sichern. Manche spekulieren, die Amis würden zurück kommen wollen, da befürchtet wird, Kabul werde bereits dieses Wochenende eingenommen.

Ich habe mich geirrt. Ich dachte wirklich, die warten, bis die Amis weg sind. Nupe! Alles geht jetzt so Knall auf Fall, dass man gar nicht mehr hinterher kommt!

Uhhhnd: Pepe Escobar hat einen Artikel zur gegenwärtigen Lage publiziert, den ich jetzt übersetzen werde, da der, wie schon gesagt, mehr Ahnung hat als ich.


Pepe Escobar: Ein Saigon-Moment kündigt sich an in Kabul

Der 12. August 2021 wird als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem die Taliban die amerikanische Invasion rächten und ihren Mann in Kabul mit einem Schlag zu Fall brachten.

12. August 2021. Die Geschichte wird diesen Tag als den Tag verzeichnen, an dem die Taliban fast 20 Jahre nach dem 9/11 und dem anschließenden Sturz ihrer Herrschaft von 1996-2001 durch amerikanische Bombenangriffe den entscheidenden Schlag gegen die Zentralregierung in Kabul führten.

In einem koordinierten Blitzkrieg haben die Taliban drei wichtige Zentren fast vollständig eingenommen: Ghazni und Kandahar in der Mitte und Herat im Westen. Den größten Teil des Nordens hatten sie bereits erobert. Gegenwärtig kontrollieren die Taliban 14 (Kursivschrift von mir) Provinzhauptstädte, Tendenz steigend.

(AdÜ: es sind mittlerweile, 21:16h, 18)

Als erstes nahmen sie am Morgen Ghazni ein, das etwa 140 Kilometer von Kabul entfernt liegt. Die neu asphaltierte Autobahn ist in einem guten Zustand. Die Taliban rücken nicht nur näher und näher an Kabul heran: Sie kontrollieren jetzt praktisch die wichtigste Verkehrsader des Landes, den Highway 1 von Kabul via Ghazni nach Kandahar.

Das ist an sich schon ein strategischer Wendepunkt. Es wird den Taliban ermöglichen, Kabul gleichzeitig von Norden und Süden her durch eine Zangenbewegung einzukreisen und zu belagern.

Kandahar fiel bei Einbruch der Nacht, nachdem es den Taliban gelungen war, den Sicherheitsgürtel um die Stadt zu durchbrechen und aus mehreren Richtungen anzugreifen.

(AdÜ: remember: Leichte Kavallerie!)

In Ghazni schloss der Provinzgouverneur Daoud Laghmani einen Deal ab, floh und wurde dann verhaftet. In Kandahar verließ der Provinzgouverneur Rohullah Khanzada – der dem mächtigen Stamm der Popolzai angehört – die Stadt mit nur wenigen Leibwächtern.

Er entschied sich für einen ausgeklügelten Deal, bei dem er die Taliban davon überzeugte, dass sich den verbliebenen Militärs erlaubt wurde, sich zum Flughafen von Kandahar zurückzuziehen und mit Hubschraubern evakuiert zu werden. Die gesamte Ausrüstung, die schweren Waffen und die Munition sollten an die Taliban übergeben werden.

Die afghanischen Spezialeinheiten waren das Sahnestück der Truppe in Kandahar. Sie schützten jedoch nur einige wenige ausgewählte Orte. Ihre nächste Aufgabe könnte der Schutz von Kabul sein. Die endgültige Vereinbarung zwischen dem Gouverneur und den Taliban müsste bald getroffen werden. Kandahar ist tatsächlich gefallen.

In Herat griffen die Taliban von Osten her an, während der altbekannte ehemalige Warlord Ismail Khan mit seiner Miliz von Westen her einen erbitterten Kampf lieferte. Die Taliban eroberten nach und nach das Polizeipräsidium, „befreiten“ Gefängnisinsassen und zogen einen Belagerungsring um das Büro des Gouverneurs.

Game over. Auch Herat ist gefallen, und die Taliban kontrollieren nun den gesamten Westen Afghanistans bis hin an die Grenzen zum Iran.

Tet Offensive, remixed

Militäranalysten werden einen Heidenspaß daran haben, dieses Taliban-Äquivalent zur Tet-Offensive 1968 in Vietnam zu dekonstruieren. Satellitenaufnahmen könnten dabei eine wichtige Rolle gespielt haben: Es ist, als ob der gesamte Verlauf des Schlachtfelds von oben her koordiniert worden wäre.

Neben strategischem Scharfsinn gibt es jedoch auch ganz prosaische Gründe für den Erfolg des Angriffs: Korruption in der afghanischen Nationalarmee (ANA), die völlige Trennung zwischen Kabul und den Befehlshabern auf dem Schlachtfeld, unzureichende amerikanische Luftunterstützung und die tiefe politische Spaltung in Kabul selbst.

Addiere ein tiefes Empfinden des Verrats durch den Westen bei denjenigen hinzu, die mit der Regierung in Kabul in Verbindung stehen, gemischt mit der Furcht vor Racheakten der Taliban gegen Kollaborateure.

Ein sehr trauriger Nebenschauplatz ist die Hilflosigkeit jener Zivilisten, die sich in den von den Taliban kontrollierten Städten in einer Falle wähnen. Diejenigen, die es noch vor dem Angriff geschafft haben, sind die neuen afghanischen Binnenflüchtlinge, wie etwa diejenigen, die im Sara-e-Shamali-Park in Kabul ein Flüchtlingslager eingerichtet haben.

In Kabul kursierten Gerüchte, Washington habe Präsident Ashraf Ghani den Rücktritt nahegelegt, um den Weg für einen Waffenstillstand und die Bildung einer Übergangsregierung frei zu machen.

Zu Protokoll gegeben wurde, dass US-Außenminister Antony Blinken und Pentagon-Chef Lloyd Austin Ghani versprachen, weiterhin in die Sicherheit Afghanistans zu investieren.

Berichte legen nahe, dass das Pentagon plant, 3.000 Soldaten und Marines nach Afghanistan und weitere 4.000 in die Region zu verlegen, um die US-Botschaft und US-Bürger in Kabul zu evakuieren.

(AdÜ: passiert während ich übersetze)

Das angebliche Versprechen an Ghani stammte in Wirklichkeit aus Doha – und kam von Ghanis Leuten, wie ich mir von diplomatischen Quellen bestätigen ließ.

Die Delegation aus Kabul unter der Leitung von Abdullah Abdullah, dem Vorsitzenden von etwas, das sich „Hoher Rat für Nationale Versöhnung“ nennt, hat den Taliban unter Vermittlung von Katar eine Teilung der Macht angeboten, sofern sie den Ansturm einstellen. Der Rücktritt von Ghani, die wichtigste Bedingung der Taliban für jegliche Verhandlungen, wurde nicht erwähnt.

Die erweiterte Troika in Doha macht Überstunden. Die USA bieten das unbewegliche Objekt Zalmay Khalilzad auf, der in den 2000er Jahren als „Bushs Afghane“ verspottet wurde. Die Pakistaner haben den Sondergesandten Muhammad Sadiq und den Botschafter in Kabul Mansoor Khan.

Die Russen haben den Kreml-Gesandten in Afghanistan, Zamir Kabulov. Und die Chinesen haben einen neuen Gesandten für Afghanistan, Xiao Yong.

Russland, China und Pakistan verhandeln im Sinne der Shanghai Cooperation Organization (SCO): Alle drei sind ständige Mitglieder. Sie legen Wert auf eine Übergangsregierung, die Teilung der Macht und die Anerkennung der Taliban als legitime politische Kraft.

Diplomaten deuten bereits an, dass die Taliban, falls sie Ghani in Kabul stürzen, von Beijing als die rechtmäßigen Herrscher in Afghanistan anerkannt werden – was eine weitere brisante geopolitische Front in der Konfrontation mit Washington schaffen würde.

(AdÜ: war ja klar. Die NATO-Freaks, die sich heute treffen und Heiko Maas können sich Besen in den Hintern schieben, nackt auf dem Grote Markt in Bruxelles wie FFFs herumhüpfen und dabei schreien; „Wir sind Paradiesvögel!“, die internationale Einbindung des neuen Afghanistan, auch unter den Taliban, ist jetzt schon Fakt!)

Im gegenwärtigen Stadium ermutigt Beijing die Taliban lediglich dazu, ein Friedensabkommen mit Kabul zu schließen.

Das Paschtunistan-Rätsel

Pakistans Premierminister Imran Khan hat kein Blatt vor den Mund genommen, als er sich in die Auseinandersetzung einschaltete. Er bestätigte, dass die Taliban-Führung ihm mitgeteilt hat, dass es mit Ghani an der Macht keine Verhandlungen gibt – obwohl er selbst noch versuchte, sie zu einem Friedensabkommen zu überreden.

Khan beschuldigte Washington, Pakistan nur dann als „nützlich“ zu betrachten, wenn es darum gehe, Islamabad zu drängen, seinen Einfluss auf die Taliban zu nutzen, um einen Deal zu vermitteln – ohne dabei das „Desaster“ zu berücksichtigen, das die Amerikaner angerichtet haben.

Khan bekräftigte ein weiteres Mal, dass er „sehr unmissverständlich“ erklärt habe, es werde keine US-Militärstützpunkte in Pakistan geben!

Dies hier ist eine sehr gute Analyse, wie mühsam es für Khan und Islamabad ist, dem Westen und auch dem globalen Süden, Pakistans komplexes Engagement in Afghanistan zu erklären.

Die Schlüsselfragen sind ganz klar:

  1. Pakistan will eine Übereinkunft zur Teilung der Macht und tut in Doha im Zusammenspiel mit der erweiterten Troika alles in seinen Möglichkeiten Liegende, um sie zu erreichen.
  2. Eine Machtübernahme durch die Taliban wird zu einem neuen Zustrom von Flüchtlingen führen und könnte Dschihadisten der Art Al-Qaida, TTP und ISIS-Khorasan ermutigen, Pakistan zu destabilisieren.
  3. Es waren die USA, die die Taliban legitimiert haben, indem sie während der Amtszeit von Donald Trump ein Abkommen mit ihnen geschlossen haben.
  4. Und aufgrund des verworrenen Rückzugs haben die Amerikaner ihren Einfluss – und den Pakistans – auf die Taliban reduziert.

Das Problem ist, dass es Islamabad schlicht nicht gelingt, diese Botschaften zu kommunizieren.

Und dann gibt es noch mehr befremdliche Entscheidungen. Nehmen Sie die afghanisch-pakistanische Grenze zwischen Chaman (in Pakistans Belutschistan) und Spin Boldak (in Afghanistan).

Die Pakistaner haben ihre Seite der Grenze geschlossen. Jeden Tag überqueren Zehntausende von Menschen, überwiegend Paschtunen und Belutschen, von beiden Seiten die Grenze, zusammen mit einem Mega-Konvoi von Lastwagen, die Waren aus dem Hafen von Karatschi ins eingeschlossene Afghanistan transportieren. Die Schließung einer so wichtigen Handelsgrenze ist ein unhaltbares Unterfangen.

All dies führt zu dem wohl gravierendsten Problem: Was tun mit Paschtunistan?

Der entscheidende Knackpunkt in Bezug auf das pakistanische Engagement in Afghanistan und die afghanische Einmischung in den pakistanischen Stammesgebieten ist die völlig künstliche, vom britischen Empire entworfene Durand-Linie.

Islamabads endgültiger Albtraum ist eine weitere Teilung. Die Paschtunen sind der größte Volksstamm der Welt, und sie leben auf beiden Seiten der (künstlichen) Grenze. Islamabad kann schlichtweg nicht zulassen, dass ein nationalistisches Gebilde Afghanistan regiert, denn das würde absehbar zu einem paschtunischen Aufstand in Pakistan führen.

Und das erklärt, warum Islamabad die Taliban einer afghanischen nationalistischen Regierung vorzieht. Ideologisch ist das konservative Pakistan der Positionierung der Taliban gar nicht so unähnlich. Und außenpolitisch passen die Taliban an der Macht perfekt zu der unverrückbaren Doktrin der „strategischen Tiefe“, mit der Pakistan Indien gegenübersteht.

Im Gegensatz dazu ist die Position Afghanistans ganz eindeutig. Die Durand-Linie trennt die Paschtunen auf beiden Seiten einer künstlichen Grenze. Daher wird jede nationalistische Regierung in Kabul niemals ihren Wunsch nach einem größeren, vereinten Paschtunistan aufgeben.

Da die Taliban de facto eine Ansammlung von Warlord-Milizen sind, hat Islamabad durch Erfahrung gelernt, wie man mit ihnen umgeht. Praktisch jeder Warlord – und jede Miliz – in Afghanistan ist islamisch.

Auch die derzeitige Kabuler Regelung basiert auf dem islamischen Recht und wird von einem Ulema-Rat beraten. Nur wenige im Westen wissen, dass das Scharia-Recht die vorherrschende Ausrichtung der aktuellen afghanischen Verfassung ist.

Um den Kreis zu schließen: Am Ende stammen alle Mitglieder der Regierung in Kabul, das Militär und ein Großteil der Zivilgesellschaft aus demselben konservativen Stammesmilieu, aus dem auch die Taliban hervorgegangen sind.

Abgesehen von den militärischen Vorstößen gewinnen die Taliban die PR-Schlacht im eigenen Land sichtlich mit einer einfachen Gleichung: Sie porträtieren Ghani als Marionette der NATO und der USA, als Lakai ausländischer Invasoren.

Und diese Unterscheidung auf dem Friedhof der Imperien zu treffen, war immer ein Erfolgskonzept!


Soweit Pepes Einsichten.

Es ist Freitag der 13. August 2021, 23:32h.

Maidan Shar city has surrendered.

Die neunzehnte von – wievielen? 24 Städten?

Der ultimative Freitag der dreizehnte der NATO.

Fortsetzung: Afghanistan wie Pepe Escobar es sieht

Da ich nicht vor Ort bin und auch nur interpretieren kann, was ich lese, mache ich mit Übersetzen einer Quelle weiter, die mir als einsichtsvoll und vertrauenswürdig bekannt ist, im Gegensatz zu nahezu allem, was ich an deutschen Publikationen lesen kann, die fast ausnahmslos alle, von links außen bis sonst wo, auf die eine oder andere Art, die Neiderlage der NATO bejammern.

Zu viele Deutsche haben einen ganz üblen Charakterzug, der darin besteht: egal, was sie gerade für eine Ideologie im eigenen Land praktizieren, sie halten sich für den Zenit der Menschheitsentwicklung, dem nun die ganze Welt nachzueifern habe. Sind sie Faschisten, hat die gesamte Welt dem deutschen Faschismus zu huldigen, entdecken die Deutschen den Demokratismus, muss die gesamte Welt deutsch-demokrateln.

Und so fraget man traurig: „Was hat der Krieg in Afghanistan gebracht?“

Man ist sich scheinbar einig, die NATO sei dort in guter Absicht Krieg spielen.

Falls das sich noch nicht nach Deutschland herumgesprochen hat: ein Krieg wird geführt, um ein Land oder eine Region unter seine Herrschaft zu zwingen. Nichts anderes wird bezweckt. Man gibt keine 1000 Milliarden Dollar aus und führt 20 Jahre Krieg um Mädchenschulen zu bauen! Solchen Bockmist erzählt man geistig unterbelichteten! Der Krieg hätte also einzig und alleine bringen können, dass Afghanistan Besatzungszone der NATO wird. Das wurde es nicht. End of Story.

Das irgendwie anders zu diskutieren ist völlig müßig!

Niemanden geht es etwas an, wie Menschen 7000 Kilometer von der eigenen Haustüre entfernt, ihr Leben organisieren und nach welchen Gesichtspunkten! Wie man sagt: „Kümmere dich um deinen eigenen Kram!“

In Europa erzeugt der Siegeszug der Taliban geradezu komödiantische Exegesen.

Der Außenminister des UK will als replacement der Amis einmarschieren, ihm wurde abgeraten.

1842 war das Königreich mit 16 000 Mann von Indien aus nach Afghanistan einmarschiert. Kein einziger von ihnen kehrte zurück.

Vor ein paar Jahren (ich hab den Zeitpunkt nur noch vage in Erinnerung) versuchten die Briten einen Teil Afghanistans zu besetzen. Sie glaubten an einen raschen, verlustfreien Sieg. Nachdem dann die Taliban über 500 von ihnen geschlachtet hatten, mussten die Amis den Rest evakuieren, damit die nicht auch noch getötet werden.

Sagen wir, britische Ambitionen in Afghanistan waren bisher wenig von Erfolg gekrönt. Entsprechend haben sie für die Idee, die Amis in Afghanistan zu beerben, keine Freunde gefunden.

Keine?

Oh, natürlich, die Bellizisten des deutschen Bundestages unter Führung Röttgens würden mitmachen und haben das zur Sprache gebracht. Röttgen ist, gelinde gesagt, geisteskrank. Bei ihrem derzeitigen Siegeszug schicken die Taliban die Köpfe von Bundeswehrsoldaten per Post in Müllcontainern nach Berlin zurück!

Was der außenpolitische Sprecher der Linken Herr RA Dr .Gysi mit seinem Spruch zum Thema meint, verstehe ich leider inhaltlich nicht.

Erstens, warum sollten die Russen, die, da sie nicht mehr die UdSSR sind, von den Taliban nicht als Feinde betrachtet werden, sich mit den Amis zusammen tun, die von den Taliban als Auswürfe Satans und oberste Feinde gesehen werden? Zweitens, was soll ein nicht-militärischer Kampf der Ghani-Regierung, die so korrupt ist, dass die ganze eingeweihte Welt über sie lacht, gegen die Taliban sein? Irgend jemand muss dem Herrn Rechtsanwalt Dr. Gysi erklären, dass die Shanghai Cooperation Organisation mit der Befriedung Afghanistans befasst ist, was nicht von heute auf morgen geht, aber die die einzige hierfür legitime Kraft in der Region ist, da sie aus den Ländern der Region besteht. Deutschland, ich sagte es oben schon, ist kein Land der Region und hat darum gar nichts zu melden!

Ist aber auch völlig egal, es hat auf die Realität in Afghanistan exakt Null Einfluss, was man in Teutonistan zum Thema meint.


Alle Wege führen in die Schlacht um Kabul

(AdÜ: der Titel klingt deutsch so ein bisserl ungelenk, muss aber so übersetzt werden, da das Original „All roads lead to the Battle for Kabul“ eine Anspielung auf das Sprichwort: „Alle Wege führen nach Rom“ ist.)

Eine Stadt nach der anderen fielen von der Regierung ab unter die Kontrolle der Taliban, doch Afghanistans Endspiel ist noch offen

Die immer schwer fassbaren Verhandlungen über den afghanischen „Friedensprozess“ kommen diesen Mittwoch in Doha mit der erweiterten Troika – den USA, Russland, China und Pakistan – wieder in Gang. Der Kontrast zu den tatsächlichen Fakten vor Ort könnte nicht schroffer sein.

In einem koordinierten Blitzkrieg haben die Taliban in nur vier Tagen nicht weniger als sechs afghanische Provinzhauptstädte unterworfen. Die Zentralverwaltung in Kabul wird es schwer haben, ihre eigene Standfestigkeit in Doha zu verteidigen.

Es kommt noch schlimmer. Unheilvollerweise hat der afghanische Präsident Ashraf Ghani den Doha-Prozess so gut wie begraben. Er setzt bereits auf einen Bürgerkrieg – von der Bewaffnung der Zivilbevölkerung in den wichtigsten Städten bis hin zur weit reichenden Bestechung regionaler Warlords, in der Absicht, eine „Koalition der Willigen“ zur Bekämpfung der Taliban aufzubauen.

Die Einnahme von Zaranj, der Hauptstadt der Provinz Nimruz, war ein entscheidender Erfolg der Taliban. Zaranj ist das Tor für Indiens Zugang zu Afghanistan und weiter nach Zentralasien über den Internationalen Nord-Süd-Verkehrskorridor (INSTC).

Indien bezahlte den Bau der Autobahn, die den Hafen von Chabahar im Iran – den wichtigsten Knotenpunkt der gescheiterten indischen Version der Neuen Seidenstraße – mit Zaranj verbindet.

Auf dem Spiel steht ein wichtiger iranisch-afghanischer Grenzübergang und gleichzeitig ein Verkehrskorridor zwischen Südwest- und Zentralasien. Allerdings kontrollieren jetzt die Taliban den Handel auf der afghanischen Seite. Und Teheran hat gerade eben erst die iranische Seite geschlossen. Niemand weiß, wie es weitergeht.

Die Taliban setzen akribisch einen strategischen Masterplan um. Es gibt noch keine eindeutigen Beweise, aber hoch qualifizierte Hilfe von außen – pakistanische ISI-Informationen? – ist plausibel.

Zunächst erobern sie die ländlichen Gebiete – was in mindestens 85 % des Territoriums praktisch schon abgeschlossen ist. Dann kontrollieren sie die wichtigsten Grenzkontrollpunkte, wie zu Tadschikistan, Turkmenistan, Iran und Spin Boldak mit Belutschistan in Pakistan. Abschließend geht es darum, die Hauptstädte der Provinzen systematisch einzukreisen und einzunehmen – und genau da sind wir jetzt.

Der letzte Akt wird die Schlacht um Kabul sein. Dies könnte bereits im September geschehen, als verdrehte „Feier“ zum 20. Jahrestag von 9/11 und der amerikanischen Bombardierung von Talibanistan 1996-2001.

Dieser strategische Blitzkrieg

Was sich im Norden abspielt, ist sogar noch staunenswerter als im Südwesten.

Die Taliban haben Sheberghan, ein stark usbekisch geprägtes Gebiet, erobert und keine Zeit verloren, Bilder von Kämpfern in gestohlenen Gewändern zu verbreiten, die vor dem jetzt eingenommenen Dostum-Palast posieren. Der notorisch bösartige Warlord Abdul Rashid Dostum ist der derzeitige afghanische Vizepräsident.

Taliban machen sich in Klamotten aus dem Besitz des Mayor Dostum über diesen lustig; Mich erinnert das Bild derart an diese alten Italo-Western, die in der mexikanischen Revolution spielen, dass es eine wahre Freude ist.

Der große Durchbruch der Taliban gelang mit dem Einmarsch in Kundus, das noch immer nicht vollständig unterworfen ist. Kundus ist strategisch sehr wichtig. Mit 370.000 Einwohnern und ganz in der Nähe der tadschikischen Grenze ist es der wichtigste Knotenpunkt im Nordosten Afghanistans.

Die Kabuler Regierungstruppen sind einfach geflohen. Alle Gefangenen wurden aus den örtlichen Gefängnissen entlassen. Die Straßen sind blockiert. Das ist insofern von Bedeutung, als Kundus an der Kreuzung zweier wichtiger Korridore liegt – nach Kabul und Mazar-i-Sharif. Und, was besonders wichtig ist, es ist auch eine Kreuzung von Korridoren, die für den Export von Opium und Heroin genutzt werden.

Die Bundeswehr unterhielt früher einen Militärstützpunkt in der Nähe des Flughafens von Kundus, in dem heute das 217. afghanische Armeekorps untergebracht ist. Die wenigen verbliebenen afghanischen Regierungstruppen haben sich dorthin zurückgezogen.

Die Taliban sind nun entschlossen, das historisch legendäre Mazar-i-Sharif zu belagern, die große Stadt im Norden, die noch wichtiger ist als Kundus. Mazar-i-Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Der oberste örtliche Warlord ist seit Jahrzehnten Atta Mohammad Noor, den ich vor 20 Jahren kennen gelernt habe.

Er gelobt nun, „seine“ Stadt „bis zum letzten Tropfen meines Blutes“ zu verteidigen. Das allein deutet schon auf ein großes Bürgerkriegsszenario hin.

Das Endspiel der Taliban besteht darin, eine West-Ost-Achse von Sheberghan nach Kunduz und das ebenfalls eroberte Taloqan, die Hauptstadt der Provinz Takhar, zu errichten, und zwar über Mazar-i-Sharif in der Provinz Balkh und parallel zu den nördlichen Grenzen zu Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan.

Wenn das passiert, haben wir es mit einer unumkehrbaren, logistischen Neuausrichtung zu tun, bei der praktisch der gesamte Norden der Kontrolle Kabuls entgleitet. Die Taliban werden auf keinen Fall über diesen Sieg „verhandeln“ – weder in Doha noch anderswo.

Eine besonders verblüffende Tatsache ist, dass es in all diesen Gebieten keine paschtunische Mehrheit gibt, anders als in Kandahar im Süden und Lashkar Gah im Südwesten, wo die Taliban immer noch um die vollständige Kontrolle kämpfen.

Die Kontrolle der Taliban über fast alle internationalen Grenzübergänge, die Zolleinnahmen abwerfen, führt zu der dringenden Frage, wie es mit dem Drogengeschäft weitergeht.

Werden die Taliban erneut die Opiumproduktion verbieten, wie es der verstorbene Mullah Omar Anfang der 2000er Jahre tat? Es ist äußerst wahrscheinlich, dass der Vertrieb innerhalb Afghanistans nicht erlaubt sein wird.

Letztendlich können die Exportgewinne nur der Bewaffnung der Taliban zugute kommen – gegen künftige amerikanische und NATO-„Einmischungen“. Und die afghanischen Bauern können mit dem Schlafmohnanbau viel mehr verdienen als mit anderen Feldfrüchten.

Das klägliche Versagen der NATO in Afghanistan ist in jeder Hinsicht sichtbar. In der Vergangenheit haben die Amerikaner Militärstützpunkte in Usbekistan und Kirgisistan genutzt. Die Bundeswehr nutzte jahrelang den Stützpunkt in Termez, Usbekistan.

Termez wird jetzt für gemeinsame Manöver von Russland und Usbekistan genutzt. Und die Russen haben ihre Basis in Kirgisistan verlassen, um gemeinsame Manöver in Tadschikistan durchzuführen. Der gesamte Sicherheitsapparat in den benachbarten zentralasiatischen „Stans“ wird von Russland koordiniert.

Chinas oberste Sicherheitspriorität ist es unterdessen, künftige Dschihadisteneinfälle in Xinjiang zu verhindern, wofür extrem schwierige Bergüberquerungen von Afghanistan nach Tadschikistan und dann ins Niemandsland des Wakhan-Korridors erforderlich sind. Die elektronische Überwachung Pekings verfolgt alles, was sich bewegt, in diesem Winkel des Daches der Welt.

Diese Analyse einer chinesischen Denkfabrik zeigt, wie das sich ständig verschiebende Schachbrett verfolgt wird. Die Chinesen sind sich vollkommen darüber im Klaren, dass die Taliban es vorziehen, parallel zur diplomatischen Offensive als „aggressive Kraft, die bereit ist, das Regime zu übernehmen“ militärisch Druck auf Kabul auszuüben.

Die chinesische Realpolitik ist sich außerdem darüber bewusst, dass „die Vereinigten Staaten und andere Länder die Operation in Afghanistan noch viele Jahre lang nicht einfach aufgeben werden und nicht bereit sein werden, Afghanistan zum Einflussbereich anderer Länder werden zu lassen“.

Dies führt zu der für die chinesische Außenpolitik typischen Vorsicht, die den Taliban praktisch rät, „nicht übermütig zu werden“ und zu versuchen, „die Regierung Ghani auf einen Schlag zu beseitigen“.

Wie einen Bürgerkrieg verhindern?

Ist Doha also DOA? Die Akteure der erweiterten Troika tun, was sie können, um es zu retten. Es gibt Gerüchte über fieberhafte „Konsultationen“ mit den Mitgliedern des in Katar ansässigen politischen Büros der Taliban und mit den Verhandlungspartnern in Kabul.

Den Auftakt bildet ein Treffen der USA, Russlands, der Nachbarländer Afghanistans und der UNO am kommenden Dienstag. Doch bereits im Vorfeld hat der Sprecher des politischen Büros der Taliban, Naeem Wardak, Washington vorgeworfen, sich in die inneren Angelegenheiten Afghanistans einzumischen.

Pakistan ist Teil der erweiterten Troika. Die pakistanischen Medien betonen mit Nachdruck, wie stark der Einfluss von Islamabad auf die Taliban „jetzt begrenzt ist“. Als Beispiel wird angeführt, wie die Taliban den Schlüsselgrenzübergang in Spin Boldak – in Wirklichkeit ein Schmugglerhafen – geschlossen haben und Pakistan aufforderten, die Visabeschränkungen für Afghanen zu lockern.

Dies ist ein wahres Nest von Vipern! Die meisten Taliban-Führer der alten Schule sitzen im pakistanischen Belutschistan und überwachen aus sicherer Entfernung in Quetta, was an der Grenze ein- und ausgeht.

Extra Ärger für die erweiterte Troika ist die Abwesenheit von Iran und Indien am Verhandlungstisch. Beide haben zentrale Interessen in Afghanistan, insbesondere wenn es um die hoffentlich friedliche neue Rolle des Landes als Transitknotenpunkt für Verbindungen zwischen Zentral- und Südasien geht.

Moskau wollte von Anfang an, dass Teheran und Neu-Delhi Teil der erweiterten Troika sind. Unmöglich jedoch! Der Iran setzt sich niemals mit den USA an einen Tisch und umgekehrt! Das ist jetzt in Wien bei den JCPOA-Verhandlungen der Fall, wo sie via Europäer „kommunizieren“.

Neu-Delhi weigert sich seinerseits, sich mit den Taliban an einen Tisch zu setzen, die es als einen terroristischen Stellvertreter Pakistans betrachtet.

Es besteht die Möglichkeit, dass der Iran und Indien sich verständigen, und das würde sogar eine eng abgestimmte Haltung zum afghanischen Drama beinhalten.

Als der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar letzte Woche in Teheran an der Amtseinführung von Präsident Ebrahim Raisi teilnahm, bekräftigten sie eine „enge Zusammenarbeit und Koordination“ auch in Bezug auf Afghanistan.

Dies würde in naher Zukunft verstärkte indische Investitionen in den INSTC und den Korridor Neue Seidenstraße Indien-Iran-Afghanistan bedeuten. Doch das wird nicht funktionieren, solange die Taliban Zaranj kontrollieren.

Beijing seinerseits ist bestrebt, seine Verbindungen zum Iran über einen Korridor zu optimieren, den man als persisch gefärbt bezeichnen könnte und der auch Tadschikistan und Afghanistan umfasst. Dies wird wiederum davon abhängen, in welchem Maße die Taliban die Kontrolle übernehmen.

Aber Beijing kann mit einer Fülle von Vorteilen rechnen: Plan A ist nämlich ein erweiterter chinesisch-pakistanischer Wirtschaftskorridor (CPEC), an den Afghanistan angeschlossen wird, egal wer in Kabul an der Macht ist.

Klar ist, dass die erweiterte Troika nicht das kleinste Detail der Zukunft der eurasischen Integration gestalten wird. Das wird Sache der Shanghai Cooperation Organization (SCO) sein, der Russland, China, Pakistan, Indien, die zentralasiatischen „Stans“ sowie Iran und Afghanistan als derzeitige Beobachter und künftige Vollmitglieder angehören.

Die Lobbies kommen in Fahrt

Der Bericht

Als allererstes: ich bin weder dafür, noch dagegen, die NATO-Kollaborateure in Afghanistan auf die NATO-Länder zu verteilen.

Es ist das Schicksal aller, die mit ausländischen Invasoren kooperieren; zieht der Invasor ab, warst du doch nur sein Sklave, nicht sein Freund oder gar Bruder. Du bist es nicht, der unter den neuen Herren Karriere als unter Gleichgestellten macht. Sklaven lässt man als unnötigen Ballast zurück. Menschen treffen Entscheidungen; einige zahlen sich aus, andere nicht; manche gehen nach hinten los.

Das ist grausam. Natürlich. Wir reden von Menschen-Schicksalen, vom Zerbrechen der Hoffnungen derer, die auf die neuen Herren gesetzt hatten und die nun vor dem Abgrund der Verzweiflung stehen. Aber der vielzitierte Spruch ist seit den Zeiten Cäsars unterwegs: „Proditionem amosed proditores non laudo!“ (Den Verrat liebe ich, doch Verräter lobe ich nicht!) Eine Fremdherrschaft ist nur durch Kollaborateure möglich und den Verteidigern der Heimat gelten Kollaborateure als Verräter.

Von Angehörigen der Opfer der NATO-Bombardements, der US-Drohnenmorde, marodierender, vergewaltigender, raubender und schlachtender NATO-Soldaten und so weiter, ist es viel verlangt, den Dienern und Verbündeten der NATO großmütig zu vergeben!

Die Asyllobby stürzt sich auf den UNAMA-Bericht, der natürlich genau das berichtet, was die Kriegslobby und die Asyl-Lobby verknüpft: der Abzug des zivilisierten Westens geht einher mit höheren Zahlen ziviler Opfer. Das zu verkünden ist natürlich auch die Aufgabe der kanadischen Politikerin Deborah Lyons, die der UNAMA vorsteht.

Man wird in Zukunft sehr viel von zivilen Opfern in Afghanistan lesen, denn zivile Opfer in Afghanistan haben den Zweck, die NATO im Nachhinein zu rechtfertigen. Sie sollen bezeugen, dass die Einsätze de NATO weltweit das Verbreiten der Menschenliebe ist, der Schutz der Völker vor ihren eigenen politischen Kräften, die immer nur böses tun und wollen, es sei denn sie kollaborieren mit der NATO. Jeder weiß doch, dass politische Kräfte in Entwicklungsländern einzig und alleine im Sinn haben und sich zu dem einzigen Behufe organisieren, eine perverse Lust am Quälen, Massakrieren und Ausbeuten „des eigenen Volkes“ zu befriedigen, wogegen diese schwachen Einheimischen sich nicht ohne die Bringer der Zivilisation, der Demokratie und der Mädchenschulen wehren können.

Niemand weiß, wie viele zivile Opfer die NATO in den 20 Jahren verursacht hat und niemand im Westen will es wissen. Die sind nur die Kollateralschäden einer guten Sache, denn die NATO und die Staaten, die durch sie militärisch aktiv sind, kennen nur gute Absichten. Berichte von zivilen Opfern, die mit erinnerlich sind, tauchten nur auf, wenn die armen, Mädchenschulen- und Brunnen-bauenden NATO-Soldaten angegriffen wurden und sich nicht anders zu verteidigen wussten als mit der Waffe. Ab und zu mal eine Hellfire, die versehentlich nicht nur den Terroristen getötet hat, den sie treffen sollte, sondern das halbe Dorf dazu.

Und natürlich hat die kanadische Politikerin Deborah Lyon auch nur das Wohl afghanischer Frauen und Mädchen im Sinn und keinesfalls irgend welche Interessen des NATO-Staates Kanada und seines großen Bruders USA.

Was die wenigsten der Berichte-Zitierer auf dem Schirm haben: die zivilen Opfer der Taliban werden auch deswegen zunächst exponentiell ansteigen, da die Strukturen der Drogenmafia als zivile Opfer gerechnet werden! Und es ist sehr unwahrscheinlich, dass die freiwillig ihr Multimilliarden-Business aufgeben werden! Das wird ein Krieg nach dem Krieg, der zum Erbe der Mädchen-Befreier von der NATO gehört, so, wie er in Myanmar zum Erbe gehörte, das die Briten hinterließen! Es ist sogar der wichtigste Teil des Erbes: es ist der Teil, der verspricht, die Region in ewiger Unruhe zu halten und es ist der Teil, der es ermöglicht, vergiftete Hilfsangebote zu machen! Und es macht sich gut für das Fernsehprogramm und die Presse, denn Auseinandersetzungen zwischen, in Myanmar Tatmadaw, in Afghanistan Taliban, und den Strukturen der Drogenmafia, lassen sich in Medien gut als Übergriffe auf Zivilisten derjenigen verkaufen, die der Westen los werden will.


In meinem letzten Artikel erwähnte ich, dass die Retter der Menschheit eine Quad (mit weiblichem Artikel, oft lese ich es auch mit sächlichem, ich weiß nicht, welcher korrekt ist) zur Rettung der afghanischen Arbeitsplätze und was man sonst noch so alles als sich selbstlos ins Zeug werfende Weltenretter retten kann, installieren wollen.

Pepe Escobar hat einen Artikel dazu veröffentlicht. Pepe ist sehr viel näher dran als ich und kann uns mit Infos versorgen, die sich von München aus nicht so leicht erschließen. Ich übersetzte diesen Artikel, da diese besonders wichtigen Fakten im deutschen Sprachraum sonst untergehen unter „Millionen Afghanen wollen nach Deutschland – Aber Merkel sagt NEIN!“- und „Hilfe, ganz Afghanistan kommt nach Deutschland“- Elaboraten. Man übersehe nicht, dass diese rechts-links-Konkurrenz-instrumentalisierte Flüchtlingsdebatte genau den Zweck verfolgt, von den tatsächlichen, langfristigen politischen und ökonomischen Entwicklungen abzulenken.

BRI vs. New Quad in Afghanistans kommendem Boom

Der Wettlauf um den Auf- und Ausbau der zerstörten Infrastruktur Afghanistans hat bereits begonnen, da rivalisierende Mächte konkurrierende Initiativen vorantreiben

Vor über einer Woche wurden die quälend langsamen Doha-Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban wieder aufgenommen und dann zogen sie sich über zwei Tage hin, beobachtet von Vertretern der EU, der USA und der UN.

Nichts ist passiert. Sie konnten sich nicht einmal auf einen Waffenstillstand während Eid al-Adha einigen. Schlimmer noch, es gibt keinen Fahrplan, wie die Verhandlungen im August weitergehen könnten. Der oberste Führer der Taliban, Haibatullah Akhundzada, veröffentlichte eine Erklärung: Die Taliban „befürworten mit Nachdruck eine politische Einigung“.

Aber wie? Unüberbrückbare Differenzen herrschen vor! Realpolitik diktiert, dass es keine Möglichkeit gibt, dass die Taliban die westliche liberale Demokratie annehmen: Sie wollen die Wiederherstellung eines islamischen Emirats.

Der afghanische Präsident Ashraf Ghani seinerseits ist selbst in diplomatischen Kreisen in Kabul beschädigte Ware, wo er als zu stur, um nicht zu sagen als unfähig, sich der Situation zu stellen, verspottet wird. Als einzige mögliche kurzfristige Lösung wird eine Übergangsregierung gesehen.

Bisher gibt es keinen Anführer mit nationaler Ausstrahlung – keine Kommandant Massoud-Figur. Es gibt nur regionale Warlords – deren Milizen ihre eigenen lokalen Interessen schützen, nicht das ferne Kabul.

Während die Fakten vor Ort auf eine Balkanisierung hindeuten, wissen die Taliban, selbst wenn sie in die Offensive gehen, dass sie eine vollständige militärische Übernahme Afghanistans unmöglich durchziehen können.

Und wenn die Amerikaner sagen, sie würden weiterhin „afghanische Regierungstruppen unterstützen“, bedeutet das, dass sie immer noch bombardieren, aber von jenseits des Horizonts und jetzt unter neuer CENTCOM-Leitung in Katar.

Russland, China, Pakistan und die zentralasiatischen „stans“ – alle sind bemüht, die Pattsituation zu umgehen. Das Schattenspiel ist, wie üblich, in vollem Gange. Nehmen wir zum Beispiel das entscheidende Treffen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (ehemalige Sowjetstaaten) – fast zeitgleich mit dem jüngsten Gipfel der Shanghai Cooperation Organization in Duschanbe und der anschließenden Central Asia-South Asia Connectivity Conference in Tashkent.

Der CSTO-Gipfel war zu 100 % leak-sicher. Und doch hatten sie zuvor „Möglichkeiten der Nutzung des Potenzials der CSTO-Mitgliedsstaaten“ erörtert, wie die hochvolatile tadschikisch-afghanische Grenze unter Kontrolle zu halten sei.

Das ist eine sehr ernste Angelegenheit. Eine Task Force unter der Leitung von Generaloberst Anatoli Sidorow, dem Chef des CSTO-Generalstabs, ist für „gemeinsame Maßnahmen“ zur Überwachung der Grenzen zuständig.

Jetzt kommt ein noch faszinierenderes Schattenspiel ins Spiel, das sowohl von Moskau als auch von Washington mit einem Nicht-Dementi-Dementi quittiert wird!

Die Tageszeitung „Kommersant“ enthüllte, dass Moskau dem Pentagon „Gastfreundschaft“ auf seinen Militärbasen in Kirgisistan und Tadschikistan (beides SCO-Mitgliedstaaten) angeboten hat. Das Ziel: ein gemeinsames Auge auf das sich schnell entwickelnde afghanische Schachbrett zu werfen – und Drogenmafia-Kartelle, Islamisten der Sorte ISIS-Khorasan und Flüchtlinge daran zu hindern, die Grenzen dieser zentralasiatischen Staaten zu überschreiten.

Worauf die Russen abzielen – Nicht-Dementi-Dementi hin oder her – ist, die Amerikaner für das „Chaos“ (Copyright Sergej Lawrow) in Afghanistan nicht vom Haken zu lassen und sie gleichzeitig daran zu hindern, irgendeinen Ableger des Imperiums der Basen in Zentralasien wieder zu errichten.

Sie errichteten nach 2001 Stützpunkte in Kirgisistan und Usbekistan, obwohl sie später in den Jahren 2004 und 2014 aufgegeben werden mussten. Klar ist, dass die USA auf keinen Fall wieder Militärbasen in den Mitgliedsstaaten der SCO und der CSTO einrichten werden.

Geburt einer neuen Quad

Auf dem Zentralasien-Südasien-Treffen 2021 in Taschkent, gleich nach dem SCO-Treffen in Duschanbe, geschah etwas ziemlich Verblüffendes: die Geburt einer neuen Quad (vergessen Sie dieses im Indo-Pazifik).

So wurde es vom afghanischen Außenministerium ausgesponnen: eine „historische Gelegenheit, florierende internationale Handelswege zu öffnen, [und] die Parteien beabsichtigen, zusammenzuarbeiten, um den Handel zu erweitern, Transitverbindungen aufzubauen und die Geschäftsbeziehungen zu stärken.“

Wenn das klingt wie etwas direkt aus der Belt and Road Initiative, nun, hier ist die Bestätigung durch das pakistanische Außenministerium:

„Vertreter der Vereinigten Staaten, Usbekistans, Afghanistans und Pakistans haben sich grundsätzlich darauf geeinigt, eine neue quadrilaterale diplomatische Plattform einzurichten, die sich auf die Verbesserung der regionalen Konnektivität konzentriert. Die Parteien betrachten langfristigen Frieden und Stabilität in Afghanistan als entscheidend für die regionale Konnektivität und sind sich einig, dass Frieden und regionale Konnektivität sich gegenseitig verstärken.“

(Anmerkung des Übersetzers: das entspricht wortwörtlich dem, was das US-Außenministerium auf seiner Webseite stehen hat)

Die USA machen Belt and Road direkt in Chinas Gasse? Ein Tweet des US-Außenministeriums hat es bestätigt. Nennen Sie es einen geopolitischen Fall von „wenn Sie sie nicht besiegen können, schließen Sie sich ihnen an“.

Nun ist dies wahrscheinlich der einzige Punkt, in dem sich praktisch alle Spieler auf dem Schachbrett Afghanistan einig sind: ein stabiles Afghanistan turbo-charged den Frachtfluss über einen entscheidenden Knotenpunkt der eurasischen Integration!

Taliban-Sprecher Suhail Shaheen war sehr eindeutig: Die Taliban betrachten China als „Freund“ Afghanistans und wollen, dass Peking „so bald als möglich“ in den Wiederaufbau investiert!

Die Frage ist, was Washington mit dieser neuen Quad – vorerst nur auf dem Papier – bezweckt. Ganz einfach: der von Russland-China geführten SCO, dem wichtigsten Forum für eine mögliche Lösung des Afghanistan-Dramas, einen Strich durch die Rechnung zu machen!

In diesem Sinne fügt sich die Konkurrenz der USA zu Russland bzw. China auf dem afghanischen Schauplatz vollkommen in das „Build Back Better World“-Gambit (B3W) ein, das – zumindest in der Thesenform – darauf abzielt, einen alternativen Infrastrukturplan zu „Belt and Road“ zu unterbreiten und diesen den Nationen von der Karibik über Afrika bis zum asiatisch-pazifischen Raum anzupreisen.

Außer Frage steht, dass ein stabiles Afghanistan essentiell ist, wenn es darum geht, eine vollständige Schienen- und Straßenverbindung vom rohstoffreichen Zentralasien zu den pakistanischen Häfen Karatschi und Gwadar und darüber hinaus zu den globalen Märkten herzustellen.

Für Pakistan ist, was als Nächstes passiert, eine ausgewiesene geoökonomische Win-Win-Situation – sei es über den chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor, der ein Flaggschiffprojekt der Belt and Road-Initiative ist, oder über die neue, im Entstehen begriffene Quad.

China wird die äußerst strategische Autobahn Peshawar-Kabul finanzieren. Peshawar ist bereits mit CPEC verbunden. Die Fertigstellung der Autobahn wird Afghanistan als Teil von CPEC symbolisch besiegeln.

Und dann ist da noch der reizvolle Name Pakafuz, der sich auf das im Februar unterzeichnete trilaterale Abkommen zwischen Pakistan, Afghanistan und Usbekistan über den Bau einer Eisenbahnlinie bezieht – eine strategisch elementare Verbindung zwischen Zentral- und Südasien.

Die vollständige Konnektivität zwischen Zentralasien und Südasien ist auch ein zentraler Punkt der russischen Gesamtstrategie, der Greater Eurasia Partnership, die auf vielfältige Weise mit Belt and Road interagiert.

Lawrow verbrachte geraume Zeit auf dem Zentralasien-Südasien-Gipfel in Taschkent, um die Verflechtung der Greater Eurasia Partnership und Belt and Road mit der SCO und der Eurasischen Wirtschaftsunion zu erklären.

Lawrow verwies auch auf den usbekischen Vorschlag, „die Transsibirische Eisenbahn und den Europa-West-China-Korridor mit neuen regionalen Projekten in Einklang zu bringen.“ Alles ist miteinander verknüpft, egal wie man es betrachtet.

Dem geo-ökonomischen Fluss zusehen

Die neue Quad ist in der Tat ein Nachzügler in Bezug auf die sich schnell entwickelnde geopolitische Transmutation des Kernlandes. Der gesamte Prozess wird von China und Russland vorangetrieben, die gemeinsam wichtige zentralasiatische Angelegenheiten regeln.

Bereits Anfang Juni wurde in einer sehr wichtigen gemeinsamen Erklärung zwischen China, Pakistan und Afghanistan betont, wie Kabul vom Handel über den CPEC-Hafen Gwadar profitieren wird.

Und dann gibt es da noch Pipelineistan!

Am 16. Juli unterzeichneten Islamabad und Moskau einen Mega-Deal für eine 1100 Kilometer lange Gaspipeline in Höhe von 3 Milliarden US-Dollar zwischen Port Qasim in Karatschi und Lahore, die bis Ende 2023 fertiggestellt werden soll.

Die Pipeline wird importiertes LNG aus Katar transportieren, das am LNG-Terminal in Karatschi ankommt. Dabei handelt es sich um das Pakstream-Gaspipeline-Projekt – lokal bekannt als Nord-Süd-Gas-Projekt.

Der endlose Pipelineistan-Krieg zwischen IPI (Indien-Pakistan-Iran) und TAPI (Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Indien) – den ich jahrelang detailliert verfolgt habe – scheint mit einem Lachenden Dritten zu enden!

Ebenso wie die Regierung in Kabul scheinen auch die Taliban sehr genau darauf zu achten, wie Afghanistan in den Mittelpunkt eines unvermeidlichen Wirtschaftsbooms rückt.

Vielleicht sollten beide Seiten auch auf jemanden wie Zoon Ahmed Khan aufmerksam achten, eine sehr kluge Pakistanerin, die Forschungsstipendiatin des Belt and Road Initiative Strategy Institute an der Tsinghua Universität ist.

Zoon Ahmed Khan weist darauf hin, dass „ein maßgeblicher Beitrag, den China durch die BRI leistet, darin besteht, die Tatsache zu bekräftigen, dass Entwicklungsländer wie Pakistan ihren eigenen Entwicklungsweg finden müssen, anstatt einem westlichen Modell der Politikgestaltung zu folgen.“

Sie fügt hinzu: „Das Beste, was Pakistan vom chinesischen Modell lernen kann, ist, sein eigenes Modell zu entwickeln. China will seinen Weg und seine Erfahrungen nicht anderen Ländern aufzwingen, was durchaus sehr wichtig ist.“

Sie ist überzeugt, dass Belt and Road „einer viel größeren Region als Pakistan zugutekommt. Was China durch die Initiative versucht, ist, den Partnerländern seine Erfahrung und die Dinge, die es anbieten kann, zu vermitteln.“

All das oben Gesagte trifft definitiv auf Afghanistan zu – und auf seine komplizierte, aber letztendlich zwangsläufige Einbindung in den laufenden Prozess der Integration Eurasiens.


😅

Uff, fertig!

Der Tag wird möglicherweise kommen…

… dass die eine oder andere Person in Afghanistan sagt: „Das war ja sehr nett von ihnen, Herr Winfried Maria Nachtwei, dass Sie uns Mädchenschulen bringen wollten, aber von den 180 Verwandten von mir, die Sie auf meiner Hochzeit umgebracht haben – also nicht eigenhändig, sondern mittels Soldaten –  wovon übrigens 45 Mädchen unter 12 Jahren gewesen sind, bringt mir das keinen zurück und die Häuser, die Sie nebenbei zerbombt haben, bauen sich auch nicht von selbst wieder auf! Lassen Sie uns doch mal über Reparationen reden!“

Und es wird nicht der „Afghanistanexperte“ von Bündnis 90/Die Grünen sein, der zur Kasse gebeten wird, obwohl er den Einsatz mit befohlen hat, es werden auch nicht die Heiko Maas‘ sein und wie es sonst noch heißt, das ganze verfluchte Mörderpack, es werden wieder diejenigen sein, die ihre Arbeitskraft in Deutschland verkaufen, die zahlen!

Wir lesen von Kerlen wie Nachtwei, sie befürchten Bürgerkrieg. Make no mistake here: das ist deren Wunschdenken!

Ein Bürgerkrieg kann herhalten, sie sauberer dastehen zu lassen. Er kann ein klein wenig das Blut, mit welchem sie besudelt sind, überdecken. NATO-Geheimdienste werden tun, was sie können, diesen Bürgerkrieg zu schüren.

Die Taliban haben der Regierung in Kabul einen 3-monatigen Waffenstillstand und Verhandlungen angeboten im Austausch für 7000 Gefangene der NATO, die jetzt Gefangene der Regierung ohne Land werden. Pakistan hatte angeboten, Friedensgespräche zwischen den in Kabul Ämter besetzenden und den Taliban auszurichten. Beides hat die Regierung ohne Land in Kabul abgelehnt. Aber es sind nicht die Taliban, die den Waffenstillstand brauchen!

Die Hindu-Regierung in Indien ist ja bekanntermaßen nicht sehr Moslem-freundlich und hatte zunächst ihre Präsenz in Kandahar verstärkt. Im Vorfeld der beiden wichtigen Gipfel, an denen sie auch beteiligt ist, in Duschanbe und danach dem Asiatisch-Pazifischen Gipfel in Taschkent, zog Indien vollständig aus Kandahar ab. Eine Geste des guten Willens, sagte Delhi.

Und ganz spannend wird es, wenn wir in der pakistanischen Tageszeitung The Express Tribune lesen, dass der Botschafter der Russischen Föderation für Indien die Taliban mit der Hezbollah vergleicht! Er rät der indischen Regierung zu Gesprächen mit den Taliban.

Man scheint zu fürchten, dass Indien den USA in die Falle tapsen und sich in einen Stellvertreterkrieg gegen Afghanistan hetzen lassen, sobald die Amis weg sind. Das wäre der Super Gau. Mit einiger Vernunft kann Indien es schaffen, in 15 bis 20 Jahren dort anzukommen, wo die Volksrepublik China heute ist. Fällt Indien aber auf die Betrügereien der USA rein, gefährden sie auch das bisher erreichte.

Russland und China arbeiten derzeit auf Hochtouren, die Gefahren, die noch nicht gebannt sind und es noch lange nicht sein werden, einzudämmen und das Fundament einer vorwiegend friedlichen Nachkriegsordnung zu bauen.

Die Taliban werden nicht müde, ihre Kooperationsbereitschaft zu verdeutlichen.

Die offizielle Rhetorik ist noch vorsichtig, nachdem es in Dushanbe eher locker zuging war man in Taschkent zugeknöpfter, dort reden auch das erzreaktionäre Australien und das liberale Neuseeland mit, aber es zeichnet sich deutlich ab, dass hinter den Kulissen schon eine Menge steht und die Regierung ohne Land in Kabul in Zugzwang geraten wird.

Der letzte ist ein faules Ei

Deutsche Märchenstunden

In Deutschland sind der Schlagzeilen über Afghanistan gar nicht so viele, wie man annehmen möchte, wenn man bedenkt, dass die Bundeswehr dort 20 Jahre als militärische Besatzungsmacht tätig war und nun mit Schimpf und Schande verjagt wurde.

Will denn niemand wissen, wie es jetzt weiter geht?

Man spekuliert: wieviel Territorium kontrollieren die Taliban? 76%? 82%? 85%?

Genau die wichtigen Fragen!

Manch Medium jubiliert: „Heißa Jucheee! Frauen bewaffnen sich, um die Machtübernahme der Taliban zu verhindern!“ Illustriert durch eines der üblichen Fotos von irgendwelchen südländisch aussehenden Frauen mit Kalaschnikows, an welchen sich die modernen, progressiven Recken und Reckinnen des weltbefreienden Westens so gerne aufgeilen, welcher Fraktion auch immer man angehört, Weltrevolutionäre, Bringer-der-Demokratie…

Es ist ja schön von den Deutschen, die mit so komplexen politische Problemen konfrontiert sind, wie dass die böse UEFA verbietet, ein Stadion während eines Fußballspiels in Regenbogenfarben erleuchten zu lassen, um irgend einem ungarischen Politiker eines auszuwischen, in al den Strapazen noch die Frauen tausende Kilometer weit weg trotz solcher Herausforderungen nicht zu vergessen.

War doch deutsche Ritterlichkeit das wahre Motiv, in Afghanistan einzureiten, der Wunsch, kleinen Mädchen in Kabul den Schulbesuch zu ermöglichen und dafür war es nun mal nötig, die fiesen, alten Typen mit Turban, die die Eingangstüren der Klassenzimmer Krummsäbel-schwingend versperrten, mit der eigenen geballten Faust zu vertreiben.

Aber ich muss euch enttäuschen: solche Meldungen sind banale moderne CIA-Propaganda; die wissen, dass in Deutschland (und USA, aber ich bleibe jetzt mal in Deutschland) die Weltverbesserer auf solche Meldungen anspringen wie ein ausgehungerter Hund, dem man ein saftiges, rohes Argentinischen Steak hinwirft.

Bitte, liebe Weltverbesserer weit jetzt nicht, aber meine Recherchen in der internationalen Presse lassen nur einen Schluss zu: nach 42 Jahren Krieg, davon die letzten 20 Jahre antikolonialer Widerstandskrieg gegen die Bringer der Demokratie, sind sich in Afghanistan fast alle einig: man will jetzt einen umfassenden, dauerhaften Frieden erreichen!

Es gibt Kräfte, denen das nicht schmeckt. Mächtige sogar. Der globalen Drogenmafia etwa. Auch weniger mächtige. Die von der NATO eingesetzte Regierung in Kabul kommt einem in den Sinn.

85% der afghanischen Bevölkerung, las ich am Wochenende, lehnten die Taliban ab, habe eine Umfrage irgend eines Instituts – keine Ahnung mehr welches, eines der üblichen – herausgefunden.

Wow, die müssen echt Zauberkräfte haben, die Taliban, wenn die 20 Jahre lang gegen die NATO kämpfen können, obwohl die NATO 85% der Bevölkerung in Afghanistan vertritt. Das erklärt dann wohl, wie es zu der Annahme kam, dass einige der Geschichten, die Scheherazade erzählt, aus diesem Lande stammen sollen.

Moskauer Ergebnisse

Das Außenministerium der Russischen Föderation veröffentlichte eine Presseerklärung zu den Gesprächen, die in Moskau stattfanden.

On July 8, Special Presidential Representative for Afghanistan Zamir Kabulov held consultations with a delegation from the Taliban’s political office. The discussion focused on the situation in the Islamic Republic of Afghanistan and the prospects for starting intra-Afghan talks.

The Russian side voiced their concern over the mounting tensions in the northern regions of Afghanistan and urged [the Taliban] not to allow these tensions to spread outside the county. The Taliban delegation reassured the Russian side that the Taliban would not violate the borders of the Central Asian counties and also provided guarantees of the safety of foreign countries’ diplomatic and consular missions in Afghanistan.

The representatives of the Taliban reaffirmed their interest in securing a lasting peace in their country through negotiations, taking into account the interests of all ethnic groups living in the country, as well as their readiness to observe human rights, including the rights of women, in keeping with Islamic standards and Afghan traditions.

It was separately emphasised that the Taliban is firmly determined to ward off the threat of ISIS in Afghanistan and eradicate drug production in the country after the end of the civil war.

„Am 8. Juli hielt der Sonderbeauftragte des Präsidenten für Afghanistan, Zamir Kabulov, Konsultationen mit einer Delegation des politischen Büros der Taliban ab. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen die Lage in der Islamischen Republik Afghanistan und die Aussichten für die Aufnahme innerafghanischer Gespräche. Die russische Seite äußerte ihre Besorgnis über die zunehmenden Spannungen in den nördlichen Regionen Afghanistans und forderte [die Taliban] auf, nicht zuzulassen, dass sich diese Spannungen außerhalb des Landes ausbreiten. Die Taliban-Delegation versicherte der russischen Seite, dass die Taliban die Grenzen der zentralasiatischen Länder nicht verletzen würden, und gaben Garantien für die Sicherheit der diplomatischen und konsularischen Vertretungen anderer Länder in Afghanistan. Die Vertreter der Taliban bekräftigten ihr Interesse an der Sicherung eines dauerhaften Friedens in ihrem Land durch Verhandlungen unter Berücksichtigung der Interessen aller im Lande lebenden ethnischen Gruppen sowie ihre Bereitschaft, die Menschenrechte, einschließlich der Rechte der Frauen, im Einklang mit den islamischen Normen und afghanischen Traditionen zu gewährleisten. Es wurde gesondert betont, dass die Taliban fest entschlossen sind, die Bedrohung durch ISIS in Afghanistan abzuwehren und die Drogenproduktion im Land nach dem Ende des Bürgerkriegs auszumerzen.“

Zwar stehen die Taliban noch auf Moskaus Liste der terroristischen Organisationen, aber das Treffen in Moskau zeigt, dass es eine Bereitschaft gibt, sie von dieser zu streichen. Konflikte zwischen der UdSSR und Afghanistan, bzw. den Taliban, gehören der Vergangenheit an und sind keine Probleme zwischen der Russischen Föderation und den Taliban, auch wenn keine Seite übereilt zu handeln gedenkt.

Noch ist der Frieden in Afghanistan nicht gesichert!

Störfaktoren…

Viele Kommentatoren sehen in dem Abzug der USA und der NATO eine Finte. Sie glauben, es stecke eine besonders böse strategische Idee der USA dahinter.

Ich denke, das basiert auf der tief in die Gehirne eingegrabenen Vorstellung von der amerikanischen Übermacht.

Natürlich ist die Wühlarbeit der Geheimdienste damit nicht beendet und ich haben keinen Zweifel, dass die USA und ihre Satelliten wie die BRD alles daran setzen werden, Bürgerkrieg anzuheizen. Eingangsbeispiel „Frauen bewaffnen sich“ und ich würde mich nicht wundern, wenn Berichte von einer LGBTQIA+comunity in Kabul und Kandahar die Runde machen, die „den Widerstand gegen die Taliban anführen“. Ab und zu konnte man in den letzten Monaten schon solche aufpoppen sehen.

Aber unterm Strich überschätzen diese Kommentatoren die USA und unterschätzen die Region. Die Niederlage der NATO ist wahr! Zwar konnte der Militärisch-Industrielle Komplex mit diesem Krieg Geld scheffeln bis zum Abwinken, aber eine Fortsetzung würde die Wirtschaftskraft der USA dennoch überfordern. Denn was geschieht ist ja eine Umverteilung von zivil erwirtschaftetem Geld, das der Staat einsammelt und der Rüstungsindustrie weitergibt. Nun taucht aber genau da das Problem auf, dass die zivile Wirtschaft in den USA in weiten Teilen am Abkacken ist. Sinkendes Steueraufkommen bei steigenden Staatsausgaben bei unbedeutenden Sozialleistungen führt auch in den USA mittelfristig zu Destabilisierung. Die haben dort ja noch nicht einmal Hartz4, was zumindest das gröbste auffängt.

Das Imperium hätte noch einige Jahre weiter Krieg führen können. Aber das hätte die Taliban weiter gestärkt und das Imperium geschwächt. Wir sprechen von einem Krieg, der bereits verloren gewesen war, ehe die ersten amerikanischen Soldaten aus dem Truppentransporter stiegen.

Als gewichtiges Problem hat die Türkei sich herausgestellt. Kein bleibendes, aber ein Hindernis groß genug, den Frieden im Lande hinauszuzögern. Das ist das Ärgernis mit der Türkei seit 10 Jahren: sie ist zu schwach, um zu siegen, aber zu stark um zum Aufgeben gezwungen werden zu können.

Erdogan will den Flughafen von Kabul militärisch „sichern“. dem haben die Taliban beriets klar geantwortet, dass sie jede militärische Präsenz der Türkei auf afghanischem Territorium als ausländische Besatzer bekämpfen werden. Ob Erdogan, der es weder in Syrien noch in Libyen geschafft hat, militärische Erfolge halten zu können, sich ausgerechnet mit den Taliban anlegen sollte… Na ich weiß ja nicht. Die Taliban sind eine sehr viel größere Nummer als Khalifa Hafter und an dem beißen die Türken sich die Zähne aus!

Ob das „syrische Konzept“, Afghanistan mit IS-Söldner zu fluten, erfolgreich sein wird, bezweifle ich.

…und Perspektiven

Aus gutem Grunde.

Hier hatte ich in den letzten Tagen etwas hinzugelernt! Also einiges freilich, aber eine spezielle Sache meine ich.

Bisher hatte ich die Information, dass die militanten Uiguren eng mit den Taliban verbündet seien. Dem haben die Taliban jetzt explizit widersprochen!

Zwar war es vor 20 Jahren um Kontakte der Uiguren nach Afghanistan gegangen, allerdings waren das eben damals die Al-Kaida-Strukturen, mit denen die Uigurischen Islamisten zusammengehörten und es sind heute die IS-Strukturen.

Ausdrücklich – ich betone, ausdrücklich! – haben die Taliban der Regierung der Volksrepublik China Zusammenarbeit im Kampf gegen die IS-assoziierten Uigurischen Verbände zugesichert!

Sie nannten China wörtlich „einen Freund“ und drückten auch den Wunsch aus, zukünftig in allem eng zusammenzuarbeiten!

Das ist viel, viel größer als gute Nachbarschaft und Bündnis gegen einen gemeinsamen Feind!

Denn jetzt kommt auch Pakistan mit ins Spiel und die Belt and Road Initiative, in der Afghanistan aufgrund des NATO-Krieges ein schmerzhaft fehlendes Puzzle-Teil gewesen ist!

Chinas und Pakistans Interesse an guten Beziehungen zu Afghanistan kann gar nicht groß genug sein. Auch das Iran-China-25-Year-Cooperation-Programm würde sehr vereinfacht und One Belt One Road kann schon alleine dadurch immens gewinnen, dass in Zukunft auch Afghanistan eingebunden würde und als ein zentraler Knotenpunkt wirken könnte, wie der einfache Blick auf die Karte zeigt:

Karte Bundesanstalt für politische Bildung

Ein befriedetes, stabiles Afghanistan wäre für die gesamte Region der größte, denkbare Gewinn!

Mit dem Abzug der NATO ist dieser Traum in greifbare Nähe gerückt und bisher haben die Taliban in Bezug auf eine Perspektive, diesen Traum auch zu verwirklichen, alles richtig gemacht!

Mit Ausnahme ausländischer, staatlicher Kräfte, die sich die Herrschaft über Afghanistan aneignen wollen, islamistischer Söldner und der Drogenmafia reichen die Taliban allen die Hand zu Verhandlungen, die jedem seinen Platz in der Zukunft Afghanistans schaffen sollen. Die Taliban sind die mächtigste politische Kraft im Land. Ob es einem gefällt oder nicht, es ist die mächtigste Kraft, mit der sich die schwächeren arrangieren müssen, nicht umgekehrt.

Wenn ich alles zusammenrechne, kann ich mir gut vorstellen, dass das Treffen in Moskau auch eine Prüfung war.

Diesen Monat noch findet ein Kongress der Shanghai Cooperation Organisation (Besonders die Karte im Link beachten!) statt.

In diesem mit jedem Jahr an Bedeutung gewinnendem Gremium (Ist das der korrekte Terminus?) hat Afghanistan Beobachterstatus mit Beitrittsperspektive. Moskau wollte auf den Zahn fühlen, ob eine Taliban-dominierte Regierung als Partner geeignet sein wird. Die kurze Stellungnahme des Russischen Außenministeriums teilt mit, dass die Taliban den Test bestanden haben!

The future has just begun!