Federico Garcia-Lorca: de Profundis

Dann hangle ich mich gleich an Schostakowitschs Sinfonie entlang weiter.

Die beginnt… äh … völlig überraschend mit dem ersten Satz – ? – ihr wisst, was ich meine – mit dem „de profundis“, „aus der Tiefe rufen wir“, die verzweifelte Anrufung Gottes durch den Katholiken, wie Federico Garcia-Lorca es verstand. Ein Teil der katholischen Liturgie. Federico Garcia-Lorca, der innovativste spanische Dichter des XX. Jahrhunderts, hatte davon seine ganz eigene Vorstellung.

Der russische Tonmeister bettet das Gedicht als ersten Satz seiner 14. in eine monotone Düsternis, die geradezu Furcht erregt.

Da kann ich als Schauspieler doch wahrhaft froh sein! Meine Aufgabe besteht darin, dass südländisch-groteske, welches sich durch die Lyrik Garcia-Lorcas zieht, zum Klingen zu bringen!

Federico Garcia Lorca

aus: Dichtung vom Cante Jondo, 1921

Eingedeutscht von Enrique Beck

de Profundis

Guillaume Apollinaire: Antwort der Saporoger Kosaken an den Sultan von Konstantinopel

Ich hatte davon schon mal eine Verarschungsversion gemacht, jetzt machen wa dette maa richtig.

Dieses Gedicht ist tatsächlich etwas schwer vorzutragen.

Einerseits darf man ja die Bandbreite des Lyrikvortrags nicht verlassen, damit würde man den Text als Gedicht zerstören. Auf der anderen Seite spielt es mit vulgären Formulierungen, die Verachtung und Übermut ausdrücken sollen, und so muss man natürlich auch im Vortrag übertreiben.

In seiner 1969 uraufgeführten 14. Sinfonie op.135, der „Liedersinfonie“, hat Dmitrij Schostakowitsch 6 Stücke dieses Dichters verwendet (neben 2 Texten von Rilke und 2 von Federico Garcia Lorca, von welchem sich sicher auch noch Gedichte einsprechen werde, sowie einem Text von Wilhelm Küchelbecker) , die „Kosaken“ liegen dem Satz 8 zugrunde.

Nun hat es der Musiker hiermit leichter, da er die künstlerische Ausdrucksform Lyrik in die künstlerische Ausdrucksform Musik einbettet, eines anderen Sprache in die eigene fügt.

Der Schauspieler hat die Verpflichtung, der Sprache des Dichters zu folgen und muss hier quasi den Schnittpunkt zwischen Lyrikvortrag und dem, was man heute auf YouTube gerne einen „rant“ nennt, also ein Showschimpfen, finden, anders ausgedrückt, er muss das klassische Vortragen verlassen ohne in Filmschauspielerei zu verfallen.

Ein paar historische Fakten, damit man weiß, worum es geht

Im Russischen Reich wurde die Leibeigenschaft erst im Jahre 1861 abgeschafft, als vorletztes Land in Europa. Das letzte war Rumänien.

Kosaken waren ursprünglich aus der Leibeigenschaft geflohene Bauern, die sich zusammengeschlossen und an den Flüssen Don, Dnjepr und Dnjestr niedergelassen hatten.

Nach anfänglichen Kämpfen konnten sie durchsetzen, nach ihren eigenen Regeln zu leben und nur dem Zar untertan zu sein.

Das Gedicht bezieht sich allerdings auf Ereignisse aus den russisch-türkischen Krieg von 1877, als Abgesandte des Osmanischen Reiches Kosaken auffordern, sich ihrem Sultan zu unterwerfen.

Guillaume Apollinaire

Ein makabres Detail, das in unsere aktuelle Realität passt, soll hier noch Erwähnung finden: Apollinaire starb am 09. November 1918, also exakt am allerletzten Tag des 1.Weltkrieges, in Paris, an der spanischen Grippe.

Jetzt aber zur Sache:

Antwort der Saporoger Kosaken an den Sultan von Konstantinopel

Das geht noch besser.

Aber nicht heute.


Zum Schluss noch der Text im französischen Original:

Réponse des Cosaques Zaporogues au Sultan de Constantinople

Plus criminel que Barrabas
Cornu comme les mauvais anges
Quel Belzébuth es-tu là-bas
Nourri d’immondice et de fange
Nous n’irons pas à tes sabbats


Poisson pourri de Salonique
Long collier des sommeils affreux
D’yeux arrachés à coup de pique
Ta mère fit un pet foireux
Et tu naquis de sa colique

Bourreau de Podolie Amant
Des plaies des ulcères des croûtes
Groin de cochon cul de jument
Tes richesses garde-les toutes
Pour payer tes médicaments